power pop

"Neu-teutonische Leichtigkeit"

Pop Art sei, sagt man, eine Reaktion auf allzu abstrakte Kunst, sei eher trivial, gar naiv. Dass Pop Art aus dem englischen, vorwiegend amerikanischen Kulturraum kommt, ist daher keine Überraschung. Susanne Böhm hat sich der Sache angenommen und ihr einen Hauch neu-teutonischer Leichtigkeit verordnet. Folglich fordert sie keine absolute Realität, keine klare unantastbare Reinheit der Elemente.

 

Denn Susanne Böhm ist Protagonistin der "Neuen Deutschen Pop Art". Seit Donnerstag stellt sie ihre Werke in der Rathausgalerie aus. Rainer J. Roth, der auch diese Ausstellung gemeinsam mit Angela Schwarz betreut, übernahm es in Vertretung für Bürgermeister Jürgen Kirchner, die zahlreichen Premierengäste zu begrüßen. Mit "sehr viel Power" habe sich Susanne Böhm in ihren Werken von der eigenen Lebenswelt inspirieren lassen. Power in jeder Hinsicht: Kraftvolle Farben, originelle Muster, neuartige Maltechnik. Und leere Gesichter. Gewissermaßen ein Markenzeichen, denn, so zitiert der Kurator die Künstlerin, die Leerstellen laden den Betrachter ein, die Szene selbst zu vollenden. Trotz solch selbstbewusster Abgrenzung von der überseeischen Tradition bleibt Susanne Böhm dem Wesen der Pop Art treu: ihre Motive sind der banalen Alltagskultur entnommen, dem Zeitgeist, auch den Massenmedien, von der Tageszeitung bis zum Internet. So bleiben ihre Bilder geradezu fotorealistisch, sind figurativ und gerade wegen ihrer Flächigkeit als das erkennbar, was sie darstellen.

 

Natürlich spielt Böhm mit den Elementen der Pop Art, mit klaren Primärfarben, reduziert auf das Wesentliche und stets kontrastreich bis zur Schmerzgrenze. Diese Lust an knalligen Farben können sie bei scharf abgegrenzten Flächen austoben, erkannte auch Dr. Paul Weskamp, der den künstlerischen Weg Susanne Böhms seit langem begleitet.

 

Formal interessiere die Malerin sich für ästhetische Motive, inhaltlich für die eher kleinen Absurditäten des Alltags, denen sie sich spielerisch, mitunter hintergründig ironisch bis leicht provokativ nähere.

 

Der spannungsreiche Rundgang bestätigt diese Einschätzungen: Der Betrachter steht fragend bis ratlos, bis ihn, wie Rainer J. Roth es formulierte, das "Déjà vu" ereilt. Denn welche mentale Tiefe atmet etwa "Backside". Das (wie übrigens viele weitere Exponate) großformatige Werk zeigt die Rückansicht eines älteren Paares, verbunden in verstehender Harmonie und gleichzeitig deprimierender Gleichgültigkeit, in Trauer und Schmerz, vielleicht am letzten Urlaubstag beim resignierten Blick aufs tiefblaue Meer.

 

Resignation und - betont durch die monochrome Farbgestaltung - abgründige Nachdenklichkeit auch bei "Nude", der Rückansicht eines nackten jungen Paares, und man fragt sich, was da wohl nicht rund lief im Leben der beiden.

 

Die Menschen sind anonym in ihrer Trauer, gesichtslos und fremd. Wie die junge Dame, die bei ihrem "Blinde Date" garantiert vergeblich auf "ihn" wartet. Solche Bilder, sagt Dr. Weskamp, sind "PowerPop pur, mit Pep und Esprit". Auch ihn stimmen Böhms Bilder besinnlich, auch ihm vermitteln sie Ruhe bis hin zu einer gewissen Kühle.

 

Rein inhaltlich zeigt Susanne Böhm das in ihren unverfälscht abstrakten Werken Zum Beispiel mit "Snowy Sunday", in dem zwei Vorhanghälften aus der Geborgenheit eines warmen Zimmers den Blick auf schwere, gar bedrohlich kantige Schneeflocken zwingen. Doch vornehmlich geht es Susanne Böhm in dieser Ausstellung um Gesichter, von denen man - notabene - nicht allzu viel sieht.

 

Bis auf "Zadie", ein überraschenderweise klar erkennbares Portrait der englischen Schriftstellerin Zadie Smith und gleichsam eine kleine Hommage an den amerikanischen Popart-Künstler Alex Katz. Eine Ausstellung spannender Gegensätze und großer Fragen, zu deren Antwort der Besucher sich Zeit nehmen sollte.

 

(veröffentlicht am 27.06.2015 in den "Weinheimer Nachrichten")